«Piz Buin hautnah» hatten die beiden Leiterinnen Sandra und Carla angekündigt für die Wanderung vom 24./25. August 2019. Das war nicht übertrieben. 21 wanderfreudige Sport Fit Frauen waren hingerissen von den Ausblicken auf den majestätischen Berg. Dazu genossen sie ein Weekend voller Naturerlebnisse, Geselligkeit und unvergesslicher Hüttenromantik.
Das alles will verdient sein. Der Wecker reisst uns am Samstag ähnlich früh aus dem Schlaf wie die Schwingerfans am Eidgenössischen. Wir beschränken uns aber nicht aufs Zuschauen und Anfeuern, sondern strengen zünftig eigene Muskeln und Lungen an. Manch ein Schweisstropfen wird vergossen, manch ein Komfortmangel mit Humor quittiert.
Am Bahnhof fühlen sich die meisten noch etwas schlaftrunken, doch auf der Zugsfahrt werden wir immer munterer. Umsteigen in Ziegelbrücke und Landquart. Und nach gut zweistündiger Fahrt kommen wir bereits vor 9 Uhr im Unterengadin an. Von Susch aus führt uns ein Bahnersatzbus zum Ausgangspunkt Lavin. Nach dem vereinsgesponserten Kafi-Gipfeli–Stopp kann es losgehen. Im alten roten und im neuen grünen Vereinsdress posieren wir zum ersten Fototermin, während im Hintergrund Oldtimer-Autos vorbeibrummen.
Wellness unterwegs
Nach einem schweisstreibenden Aufstieg erwartet uns in Guarda ein blumengeschmückter Dorfbrunnen mit köstlichem Trinkwasser. Die Erfrischung wirkt Wunder. Zügig geht es weiter, vorbei am Schellenursli-Weg. Carla spornt unsern Wandereifer an und betätigt lautstark Ursli’s Schellen. Später lädt eine lauschige Waldecke in alpinem Gelände zur Mittagsrast. Zwei kräftige Munis sorgen hier für Unterhaltung. Sie verheddern Halfter und Hörner immer wieder in Baumäste, zum Glück hinter einem Zaun. Der breite Weg führt uns nun immer höher ins Val Tuoi hinauf. Geissen und Kühe schätzen die würzig-reine Luft und die beschauliche Ruhe ebenso wie wir. Vor uns thront bald einmal der Piz Buin. Einfach spektakulär. Nette Waldarbeiter fahren eine ermattete Turnerin und einen zusätzlichen Rucksack, der sich immer schwerer angefühlt hat, ein Stück weit hoch. Gerade im richtigen Moment plätschert ein Bergbach am Wegrand. Herrlich, wie erholt sich müde Füsse nach einem kurzen Eintaucher anfühlen. «Letzte Duschgelegenheit für heute», scherzt Sandra. Na ja, mit so viel Wellness unterwegs, ist das wohl kein Problem!
Schon gegen 15 Uhr erreichen wir auf 2250 Metern die SAC-Hütte Chamanna Tuoi. Wird so ein langer Hüttennachmittag nicht langweilig? Keineswegs! Die einen gönnen sich den ersten Apero, während die andern Karten spielen. Beides lässt sich natürlich auch bestens verbinden, und die Stunden vergehen bei bester Laune im Nu. Die 80-plätzige Hütte füllt sich immer mehr, der Lärmpegel wächst. Draussen regnet es inzwischen kräftig.
Zum Nachtessen verwöhnen uns Christian und Hüttenteam mit Gemüsecremesuppe, Salat, Penne, Fleischsugo, Reibkäse und Schoggicreme. Alles in reichlichen Portionen, das versteht sich bei so viel Anstrengung. Nach einem letzten Jass oder Hosenabe verkriechen wir uns gegen 22 Uhr ins gemeinsame Lager zur Nachtruhe, so wie es SAC-Regeln halt vorsehen. Zwei von uns verbringen die Nacht mit andern Gästen zusammen in einem 6er Zimmer.
Hüttenromantik
Im grossen 19er Schlafraum beginnt das Hüttenleben erst so richtig. Ist Wand- oder Fensterplatz besser? Oder doch besser ein Mitteplatz mit etwas zusätzlichem Bewegungsraum zulasten der Bettnachbarin? Lieber untere oder obere Etage mit mehr Luftraum aber langer Leiter?
Wie Teenager im Klassenlager kichern wir auf den dünnen Mätteli eine Weile, bevor langsam Ruhe einkehrt. Nach und nach übernehmen allerlei Geräusche die Szene: Schnaufen und Schnarchen in allen Tonlagen und Variationen. Schlafende Männer hätten noch viel mehr Dezibel produziert, meinen nachträglich einige. Auch das reichhaltige Znacht hat seine Wirkung nicht verfehlt und Verdauungssysteme aktiviert. Schon bald tippelt die erste zwei Stockwerke tiefer in den Keller aufs WC, nach einer halben Stunde die zweite, und so geht es weiter. Taschenlampen leuchten auf, die Türe geht immer wieder sachte auf und zu. Und dann dieser Seidenschlafsack. Besser nicht drehen im Schlaf. Bauch und Beine verwickeln sich sonst heillos im Stoff.
An den Fensterplätzen wird’s kühl, an der Wand dafür stickig. Umkleiden? Viel zu umständlich, die Reservekleider befinden sich in den Tiefen vom Rucksack. Gegen Morgen sind die meisten erschöpft und dösen vor sich hin. Um fünf in der Früh machen sich die Bergsteiger vom Nebenraum so leise wie möglich parat. Weniger diskret piepst um halb sechs der Wecker einer lieben Bettgenossin. Ist das deiner? Nein. Dann doch deiner? Natürlich nicht. Bis die Eigentümerin gefunden und das Ding abgestellt ist, sind wir alle definitiv wach.
Lai Blau
Die ungewohnte Höhe und vielleicht das Gläschen vom Vorabend tragen ihr Übriges dazu bei, dass mancher Kopf am Morgen brummt. Da helfen Kaffee und ein ausgiebiges Frühstück. Die Regenwolken haben sich über Nacht verzogen, und der Piz Buin bietet jetzt eine eindrückliche Kulisse für das «Hautnah» Foto. Den Alpinweg zum Lai Blau hoch säumen prächtige Bergblumen. Schneefelder sind in Sicht, aber wir brauchen keine zu durchqueren. Auch unsere älteste Turnerin Anne hält tapfer mit. Neugierige Murmeltiere wundern sich ab der bunten Frauenschar und lassen sich von Nahem portraitieren. Welche Idylle dann am See, der seinem Namen alle Ehre macht. Wir setzen uns ans steinige Ufer, schmausen Picknick, fotografieren, ruhen, geniessen. Wie wärs mit einem kleinen Bad? Brigitte und Cécile lassen sich durch die bitterkalte Wassertemperatur auf 2600 Metern nicht abschrecken und wagen einen kurzen Schwumm.
Von nun an geht’s wohlgelaunt über Stock und Stein bergab, und der Blick ins Unterengadin öffnet sich allmählich. Via Alp Sura steigen wir wieder nach Guarda hinunter. Beim Schellenursli-Hüttli warten bereits zwei Frauen, die auf der Direktroute zurückgewandert sind.
Alles paletti
Ein kleiner Imbiss in der Meisser Lodge und ein letzter Rundgang im wunderschönen Dorf runden unseren Guarda-Besuch ab. Dicht gedrängt fahren wir im Kleinbus zur Station hinunter; für weitere Wanderer braucht es aber noch eine Zusatzfahrt. Oje, das gibt Stress für den Fahrer vom Anschlussbus. «Beeilt euch», drängt er die später zusteigenden Passagiere und kurvt rasant die Strasse hoch. Wohl denen, die nicht so genau hinschauen und rückwärts sitzen. Unter Applaus schafft er es schlussendlich zeitig zur Bahn in Susch. Im Zug zurück nach Uznach wird dann die Vorfreude auf die warme Dusche, die frischen Kleider und die Lieben zuhause immer grösser.
«Alles paletti» stand auf dem Wanderchäppi von Carla. Es hat wirklich alles perfekt gepasst: Programm, Stimmung, Wetter. Einfach super war’s. Herzlichen Dank!
Cécile Brüllhardt
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